Woher wissen wir das alles ?

Ein Beitrag unseres Vereinsmitgliedes J. Dunsbach aus Bangkok

Wer einen Regenbogen sieht, der freut sich meistens an den schönen Farben. Es ist ja auch ein seltenes Ereignis und gerade darum faszinierend und von ganz besonderer Ästhetik. Dass sich darin sogar der Schlüssel zum Verständnis des Universums verbirgt, wissen allerdings die wenigsten.

Seit rund vierhundert Jahren betreiben wir ordentliche Naturwissenschaften mit einer grandiosen Methode: Aus Beobachtungen entwickeln sich Hypothesen, mit denen man versucht, Phänomene zu beschreiben. Diese Theorien müssen zum einen überprüfbar sein, also durch Experiment oder durch gezielte Beobachtung. Zudem muss die Theorie ein sog. Prognosepotential haben, das Vorhersagen macht, die wiederum überprüfbar sein müssen. Besitzt diese Theorie dies nicht, ist sie vielleicht interessant, aber ohne Relevanz.

Es geht also nicht darum, die Wahrheit zu finden (das tun Philosophen und Theologen), sondern um den Versuch, falsifizieren zu können – also: Eine Theorie muss an der Wirklichkeit scheitern können – sie ist entweder falsch oder nicht falsch, bis ein besserer Erklärungsversuch gefunden wurde. Das ist das tägliche Geschäft der Wissenschaftler, insbesondere in der Physik.

So irren sich die Wissenschaftler systematisch empor und verfeinern, verbessern, korrigieren ihre Aussagen, um immer bessere Theorien und praktische Methoden zu entwickeln, die beschreiben, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Und diese Methode ist äußerst erfolgreich. Wir können feststellen, dass die Naturgesetze, die wir hier auf der Erde entdecken, überall im Universum gelten. Ja, mit Experimenten kann sogar noch genauer gemessen werden, als es die Mathematik überhaupt hergibt. Wäre dem nicht so, könnten Sie dies hier garnicht lesen.

Dabei erhalten wir nicht viel vom Universum. Dieses kommuniziert mit uns mit dem einzigen, was es zur Verfügung hat: Nämlich mit elektromagnetischer Strahlung, mit anderen Worten: mit Licht. Mehr bekommen wir nicht, aber da steckt alles drin.

1814 experimentierte Joseph von Fraunhofer, indem er mit einem Prisma das weiße Sonnenlicht aufspaltete in seine Spektral- (Regenbogen) -Farben. Das war nichts neues. Schon Newton experimentierte damit. Allerdings konnte Fraunhofer das Spektrum so weit auseinanderziehen, dass er plötzlich schwarze Linien in den Farben entdeckte. Es kam kein Licht an, und schmale Striche blieben einfach schwarz. Dort wurde das Licht einfach verschluckt, also absorbiert. Ein Rätsel.

Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen entdeckten aber später, dass verschiedene Elemente wie Wasserstoff, Helium, usw. beim Erhitzen, bzw. Verbrennen (passenderweise im Bunsenbrenner) eine ganz bestimmte Farbe aussenden, also emittieren. Somit lag der Schluss nahe, dass Elemente, die beim Erhitzen genau diese, nämlich ihre je spezifische Wellenlänge aussenden, eben jene Wellenlängen des Lichtes verschlucken, wenn es auf oder durch diese Stoffe fällt. Heute wissen wir: Es ist ein quantenphysikalischer Vorgang, der sich auf atomarer Ebene abspielt. Damit waren die Fraunhoferschen Absorptionslinien erklärt als Zusammenhang von Emission und Absorption. Sie sind wie ein eindeutiger, elementarer Fingerabdruck, mit dem sich die chemischen Stoffe zweifelsfei verraten.

Aus diesen Spektrallinien der Sonne oder eines anderen Sterns kann man somit Rückschlüsse ziehen, welche Elemente dort vorhanden sein müssen. Und diese Methode wird bis heute verfeinert und hochpräzise angewandt, um tatsächlich Aussagen machen zu können über eben jene Sterne, Pulsare, Quasare, Magnetare, Planetare Nebel, Supernovaüberreste, Neutronensterne, Schwarze Löcher, ja sogar ganze Galaxien.

Ein Spektrum gibt Aufschluss über die Elemente in jenen kosmischen Kernfusionsreaktoren. Man kann Aussagen machen über relative und absolute Helligkeiten, über die Größe, die Masse, die Oberflächentemperatur, das Alter und die Zusammensetzung eines Sterns und seine jeweilige Entwicklungsphase vom Protostern bis zu den verschiedenen Sternleichen am Ende ihres Lebens.

Die Messungen sind heute so genau, dass man sogar die eventuell vorhandene Atmosphäre eines sog. Exoplaneten (also Planetensysteme jenseits unseres Sonnensystems) beim Vorbeizug vor seinem Heimatstern untersuchen kann, um festzustellen, welche Elemente, ja sogar in welcher Konzentration sie sich dort befinden. Eine wichtige Frage, um zum Beispiel festzustellen, ob es dort Wasser (H2O), Kohlenstoff (C) und Ozon (O3) gibt, mit dem der Nachweis von Sauerstoff gegeben wäre – also jene Grundlagen für Leben schlechthin.

Edwin Hubble, ein arbeitsloser Preisboxer, der zur Astronomie wechselte, stellte 1929 bei der Untersuchung der Spektrallinien sogar fest, dass diese verschoben sein können. Also: Ein Spektrallinienfeld eines bestimmten Elementes, das nicht genau dort liegt, wo es eben liegen sollte, sondern im Spektrum ins Rote verschoben ist. Vom sog. Dopplereffekt weiß man, dass sich Wellen stauchen, wenn sie sich auf jemanden zubewegen. Die Frequenz, und damit die Wellenlänge wird kürzer. Beim Schall wird der Ton höher, beim Licht wird es blauer.

Da sich bei Hubbles Beobachtungen allerdings eine Dopplerrotverschiebung – also hin zu längeren Wellenlängen ergeben hat, und zwar je mehr, um so weiter weg die beobachteten Sterne waren, kam er zu dem Schluss, dass sich alles von uns weg bewegt und sich das Universum ausdehnen müsse. Das Licht wird sozusagen auseinandergezogen und die Wellenlänge daher röter. Damit war der Kosmos gestern kleiner, und vorgestern noch kleiner. Denkt man dies logisch zum Ende, kommt man von alleine auf die Idee des Beginns aus einer Singularität, also zum Urknall.

Aus diesen Beobachtungen und theoretischen Überlegungen kam man in den 40ern zu dem Schluss, dass von diesem Ur-Ereignis noch Strahlung, also Licht übrig sein müsse. Da das Universum aber alt ist, sich immer weiter ausdehnt und dabei abgekühlt ist, sollte diese Strahlung (äquivalent zur Temperatur) in sehr niedrigen Wellenlängenbereich, also bei den Mikrowellen liegen. Und tatsächlich: 1964 wurde diese sog. Hintergrundstrahlung zufällig von Arno Penzias und Robert Wilson entdeckt, die eigentlich auf der Suche nach ganz anderen Dingen waren.

Doch aus den Anfängen des Universums kehren wir lieben zurück in unsere terrestrische Nachbarschaft – nämlich zum Mond. Er zeigt sich ja regelmäßig in seinen unterschiedlichen Phasen und sich ändernden Pracht. Besonders faszinierend ist unser Trabant, wenn er nach dem Neumond am Abend mit einer schmalen Sichel untergeht. Bei guten Licht- und Wetterbedingungen zeigt er sogar den sog. Erdschein – die eigentlich uns zugewandten aber im Schatten liegenden Bereiche werden angestrahlt von dem Licht, das die Erde im richtigen Winkel reflektiert. Dieses aschfahle Licht ist auf dem Mond so hell wie bei uns auf der Erde in der Dämmerung gleich nach Sonnenuntergang.

Woher wissen wir das alles?

Wissenschaftler haben nun genau dieses reflektierte Licht spektrografisch untersucht und es ist erstaunlich: Aus dem Spektrum dieses vom Mond zurückgestrahlten Erdlichtes lassen sich Rückschlüsse ziehen auf die Zusammensetzung unserer Erde. Sollten also irgendwelche extragalaktischen Besucher unseren Planeten untersuchen, so würden sie feststellen, dass es nicht nur Wasser, Sauerstoff und Ozon auf unserer Erde gibt. Das Erdscheinspektrum verrät sogar etwas über die Konzentration dieser Elemente und Moleküle, sowie über die biologische Zusammensetzung unseres Heimatplaneten. Zu erkennen sind die Spektrallinien unserer Atmo-, Hydro- und Biosphäre. Selbst die Vegetation verrät sich über die Spektrallinien des Chlorophylls. Die Ozeane lassen sich nachweisen bis hin zum grün-pigmentierten Phytoplankton in eben jenen Ozeanen. Mit seinem fahlen Licht erzählt uns unser Begleiter somit etwas über uns selbst. (N. J. Woolf, P. S. Smith u.a., The Spectrum of Earthshine: A pale blue dot observed from the ground, The Astronomical Journal, 574:430-433, 20.07.2002)

Nicht mehr, aber auch nicht weniger erzählt uns das Licht – ob nun aus den Tiefen des Universums oder von unserem treuen Begleiter. Unser Planet muss vom Mond aus gesehen wirklich wunderbar aussehen, wenn er sich in seiner ganzen Fülle zeigt. Eben jener blassblaue Punkt im Weltall, der unsere Heimat ist, und von dem aus wir die Wunder der Natur erkennen und beschreiben können. Das hätte sich Fraunhofer sicher noch nicht gedacht, als er seine Forschungen machte.

Wissenschaft muss nüchtern sein, um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu verspielen. Aber die ihre Erkenntnisse und Einblicke in die Schöpfung lassen einen nicht unberührt.

„Der Mond ist aufgegangen“, heißt es im wunderbaren Abendlied (1779) von Matthias Claudius, das ich sehr mag. Und weiter in der vierten Strophe: „Wir stolze Menschenkinder / Sind eitel arme Sünder, / Und wissen gar nicht viel; / Wir spinnen Luftgespinste, / Und suchen viele Künste, / Und kommen weiter von dem Ziel.“ Hier muss ich dem guten Autor allerdings widersprechen.

Wir wissen schon sehr viel – zum Glück. Aber je weiter wir vordringen, um so mehr Fragen ergeben sich. Ich glaube, dass Wissen uns nicht „weiter von dem Ziel“ wegbringt. Im Gegenteil: Für mich ist und bleibt Wissenschaft, Forschung und Erkenntnis genau der Grund, nicht nur zu verstehen, sondern im gleichen Maße das Staunen über die Schöpfung und die Großartigkeit des Schöpfers zu fördern. Schließlich hat er uns mit Verstand und Vernunft ausgestattet. Es wäre eine Schande, sich dessen nicht zu bedienen.

Oder wie es Johannes Kepler 1619 als gläubiger Wissenschaftler im Lichte der Erkenntnis in seiner Harmonices mundi so treffend ausdrückte: „Ich fühle mich von einer unaussprechlichen Verzückung ergriffen ob des göttlichen Schauspiels der himmlischen Harmonie. Denn wir sehen hier, wie Gott gleich einem menschlichen Baumeister, der Ordnung und Regel gemäß, an die Grundlegung der Welt herangetreten ist.“

Jörg Dunsbach, Pfr.
Bangkok, 18.02.2021

Sie können seinen Originalbericht unter diesem Link nachlesen.


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